>>> english

 

 

Fabscape, 20teilig, je 30 x 40 cm, mixed media, 1997

 

 

Hans Christian Petersen

F A B S C A P E
V O N  J Ö R G  H A S H E I D E R

Vorwort
Es wird oftmals geschehen, daß ich ein Bild einzig nach der Summe von Ideen oder Träumereien einschätzen werde, die es in meinem Geiste rege macht.
Charles Baudelaire
>>>

Vorsatz
Im Resonanzkörper der Schrift, den zu porträtierenden Künstler und dessen inneres Feld der Betrachtung zur Schwingung bringen. Gehen wir direkt am Anfang zurück zu früheren Werken, um uns ein Röntgenbild seiner Conditio zu machen. Wir sehen ein Werk, welches zwischen einem ?less is more“, und einem barocken, intellektuellen Ausschöpfen der Mittel changiert. Eine Symbol-Kalligraphie trifft urbane Findlinge ­ Materialzeichen im Dialog mit archaischen Schlachtfeldern ­ digitale Typographie trifft das Monogramm eines Bachbettes ­ eine plakative natura-morte-Collage geht in Diskurs zum Ich, zwischen die Bezug nehmenden Einschreibungen. Da bekommt die Nabelschau eine blutige, archetypische Dimension. Die Benutzeroberfläche des Hirns, welche wir hier betrachten, ist ein System mit Wissen gedehnt um Nachrichten zu schnappen. Aus dem semiotischen Gemischtwarenladen eine Knigge aus neustrukturierten Seiten des Universalen erarbeiten. Statt platter Bilderanbetung, den Idealplan mit Pixel-Ornamenten korregieren. Ja, im emotional aufgeladenen Hirn, Bewegungen neu formatieren ­ weil sich nur die Mittel zur Änderung ändern.
Deshalb ist dieses Portrait auch Wort-Maske aus wildgewordenen Fetzen und Bildpositionen von diesem Werk aus feingeschmirgelten Proportionen und Rehabilitation des folkloristischen Wissens. Denn jedes Organ gehört dieser alles zerfressenden Sucht nach einem ?hysterischen Jetzt“ entrissen und ordentlich verpflanzt.
Ein Werk das nicht einmal gefundene Raster durchexerziert. Nein verknüpfte Ausgrabungen ­ ein Quilt, in dem Märchenschicht an Kometenschweif genäht, ein Wüstenkraquel in Sütterlinerinnerungsschrift, Runen mit Abbildern der Synapsen verknotet.
>>>

Arbeitsweisen
Den stringenten Ghettos eine Spritze aus harten, aufgeklärten Hockey-Tackeln setzen. Es schrillt der Puck auf Moos, auf Stahl, auf gepixelt… Ja, mit Ideen-Souvenirs trunken und selig hochkarätige Aufgabenzettel verfassen, die dann unters Kopfkissen, da drüber alte Träume und ein Bebop frei improvisiert. Am Morgen am Frühstückstisch alte Postkartengefühle darunterwühlen, Philosophien köpfen und Leben löffeln. Das ganze abgenagte Tohuwabohu schon mit Shot und Skizze getestet, im Gespräch aufgemauert und absacken lassen. Einfach Nerven haben mit Fallen, mit Falten, abwarten, die Schnappschüsse sind die ersten Seitenflügel in der Schürze des Schmiedes. Die organische Reaktion auf die Neue Idee ist noch schlingernd, seziert, weitere Trompetenstöße anderer Medien, auch Schlieren auf Endhirnlandschaft, noch ein Notengekrissel aus Willkürmotorik. Es muß noch weiter separiert werden.
Der Künstler in seiner Ideenwerft denkt, arbeitet, weiß das er nicht mehr den winzigsten Bruchteil eines Prozentes seiner angesammelten Zivilisation kennt, wird jedoch nicht morbide. Der Bestand läßt sich besprechen auf seinem Verschiebebahnhof. Er kennt seine Märklinbahn der Codes, ist Gleiswart seiner Lokomotiven, kennt seine Züge aus Gelegenheitsgenialität und seine konservierten Anliegen. Ja es gibt sie noch die Geister mit Konzeptpapieren, wo klar ist, daß Inspiration ein Flechtwerk und die Erleuchtung kommt nicht gerufen. Also erst sammeln ­ was man hat, das hat man ­ dann fetzen und schichten, es zu einer ästhetischen Bildform manövrieren. Verharrend in den Möglichkeiten zeugungsfähiger Produzent und Beobachter der Produktion gleichfalls sein. Es wird nicht erfunden, sondern der Mobilmachende hält das Material ächzend, ein erstes Standbild mit Wasserzeichen der Zeit wird wieder Bild- Kraquel, dann ergibt sich die Bildsprache durch den Gedanken, ist nicht nur Methapern-Print für die nur visuell einheimsenden Netzhaut-Primaten. Dem Babbelnden eine Serie abtrotzen, Alltags-Treibholz wird Insel, Grundpfeiler von Botschaft, mit einer fast abergläubischen Sucht zu festigen ­ eine geistige Kom-ponente für Jetzt. So auch das Glück, das Schöne kaschen. Dem visuellen Flimmerkasten voll rolling Kubismus und Schüttelreim mit Revolver am Bein einen anderen Rohstoff mit Einschreibungen der Erde ­ Erosion in den Sinnen ­ abtrotzen. Als Spanner im Medialen versteht er die Scherzkekse auf den Gangways, aber diese Bilder gehören gebrochen, mit kniffligen konzeptuellen Überraschungen. Diese dann noch einmal umschifft, die Wirkung mit Fehlfarben abschätzen, mit Technik transzendieren und letzte Beweise von Leben in Bild-Installationen ­ geschliffen gestochen gegossen.
>>>

Fabscape
Der Künstler denkt an ein immaterielles Kunstwerk ­ an ein Surfen im nonlinearen Medium des www. Mit der Hand an der Maus ­ ein Fingerdruck ­ ein Klick ­ ein Fenster öffnet sich ­ ein begrenzter Fundus von Schichten wirbelt durchs Web. Gegeben sei: die Silhouette der Bremer Stadtmusikanten ­ eine Symbolebene aus alchimistischen und Periodensystemzeichen, Gen-Codes ­ drittens eine Industrielandschaft.
Schichten, Geschichten, periodische oder auch alchimistische Abläufe ­ glühende Codes von Bakterien und Hunderassen auf einer prefab Landschaft.
>>>

Das Verfahren
Man nimmt das Material, die Qualitäten und läßt sie rhytmisierend, zielstrebig und autoreferentiell auf und über einander los. Ein Gedankengebäude, dessen Instrumentarium auch die Trennung ist. Ein Spiel voll Wiederholungen. Das unlösbare Problem der analogen logischen Fortentwicklung gepackt. Im Loop des Selbstreferentiellen wird das Problem Lösung verdrängt. Wir bekommen Antwort auf eine sich immer ändernde Frage.
Metall ­ Temperamente ­ Tier. Lieder à la ?etwas besseres als den Tod finden wir überall“ ­ darunter eine Landschaft changierend vom Tagesspiegelraster zum Schuß ins Blaue geplottet. Gedehnt wird hier das vorfabrizierte Bild ­ Evolution durch bakterielle Aktivität am Rechner. Elemente ­ Rassen ­ Metalle ziehen, teilen und schichten um dem Gezänk der Zeichenindustrie ein Schnippchen zu schlagen.
Fabscape ist jetzt auch ?Print“ ­ ein begrenzter Bestand aus möglichen Zusammenhängen, bildet in der Präsentation eine Symbolleiste ­ Fragmente der Möglichkeiten ­ in Stahlrahmen installiert. Wenn diese Bild-Produkte jetzt durch die Dimension der Betrachter schwappen, sie mit ihren Einordnungen darüberdieseln, den Rohstaub saugen und remixen, bleiben sie Betrachter-Boss. Die Anwesenheit des Bildermachers bleibt jedoch augenfällig. Irgendwo scheint ein unhörbares Tape mit den letzten Ideen des Künstlers zu brummeln, werfen einen ureigenen Schatten von Kommentar, oder manchmal auch nur eine Sentenz, welche als Nabelschnur zum ersten Ideen-Kritzel am Anfang des Werkes bestehen bleibt. Ja, Treibholz erst auf dem Schlingertisch ­ jetzt nach Stapellauf und weg vom Ankergrund ­ ein Schoner dicht am Wind ­ und eine Witterung geht ­ die sagt ­ Touristen wissen nicht wo sie gewesen sind, Reisende wissen nicht wohin sie fahren (Paul Theroux). Ahoi.

 

 

anfang <– | –> kunstfaktor